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![]() Firma Emden Söhne (H. u. O. Gerson, 1926) ![]() Cammann & Co (W. Schönefeld, 1926) ![]() Dresdner Bank (H. Straumer, 1924) ![]() Deutsche Bank (E. Basarke, 1925) ![]() Industrieschule (F. Wagner-Poltrock, 1928) ![]() Realgymnasium (E. Ebert, 1929) ![]() Hochhausentwurf (W. Schönefeld, 1926) ![]() Kino "Roter Turm" (B. Kalitzki, 1929) ![]() Treppe im Wohnhaus Max W. Feistels (1928) ![]() Verwaltungsgebäude des Wasserwerkes (F.Otto, 1927) ![]() Uhrturm der Fa. Schubert & Salzer (E. Basarke, 1927) ![]() Wohnanlage Wissmannhof (C. am Ende, 1927) ![]() AOK-Gebäude (C. am Ende, 1931) |
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Die Themenwahl hat ihren Grund darin, daß m.E. die Zeit der Weimarer Republik der einzige Zeitabschnitt seit dem späten Mittelalter war, in dem sich die Chemnitzer Architektur auf der Höhe der Zeit befand und nicht hinterherlief. In meinem Referat möchte ich die Industriearchitektur ausklammern, obwohl es auch dort Bemerkenswertes gab. Aber darauf ist Tilo Richter bereits eingegangen. Weiterhin verzichte ich auf die Darstellung von Leistungen auswärtiger Architekten, so wichtig sie auch sein mögen. Aber über Straumer, Poelzig und die Gersons gibt es Monografien, Mendelsohns Kaufhaus Schocken ist sogar in jeder Standardliteratur zur Architektur des 20. Jahrhunderts vertreten. Die einheimischen Architekten hingegen sind überregional fast unbekannt, was aber nicht an minderer Qualität liegt. Sicherlich gingen von
Chemnitz keine spürbaren Impulse auf andere Städte und Regionen aus,
abgesehen vom direkten Umland. Die hiesigen Architekten beobachteten
aber genau die Vorgänge im nationalen und internationalen Baugeschehen.
Es gab z.B. Reisen nach Wien, um den dortigen sozialen Wohnungsbau zu
studieren. Zweifellos hätten auch Chemnitzer Architekten von selbst zum
modernen Bauen gefunden, die Initialwirkung des Gerson-Baus ist aber
belegbar, zumindest für Max W. Feistel und Fred Otto. Es wäre noch eine Anzahl weiterer Chemnitzer Bauwerke zu nennen, die im
Sinne des Neuen Bauens konzipiert wurden. Dafür reicht hier die Zeit
nicht. Nicht unterschlagen kann man aber das AOK-Gebäude. Im
Gesamtschaffen von Curt am Ende, der es 1930 nach seinem Wettbewerbssieg
schuf, stellt es allerdings eine Ausnahme dar. Bei seinen vielen
Wohnbauten ist er stärker dem Heimatstil verhaftet. Das AOK-Gebäude ist
jedoch ein gutes Beispiel für die Verbindung von funktionaler Gestaltung
und behutsamer Einfügung in die Umgebung. In unmittelbarer Nachbarschaft
zur Schloßkirche verzichtete der Architekt auf eine Vertikalwirkung,
ließ aber den halbrunden Vorbau mit dem Chor der Kirche korrespondieren.
Die ursprünglich farbige Verglasung verstärkte diesen Effekt. 1. Chemnitzer Architekten gehörten nicht zu den Pionieren der Moderne. Sie verfolgten aber aufmerksam, was auf diesem Gebiete passierte, und ließen sich davon inspirieren. 2. Zwischen 1926 und 1930 entstanden in Chemnitz eine Vielzahl von Bauwerken moderner Ausrichtung, deren Durchschnittsniveau beachtlich ist. Der Sog dieser Entwicklung veranlasste selbst konservativ eingestellte Architekten wie Basarke, am Ende und Marquard, sich in der neuen Stilistik zu erproben. 3. Eine der Erklärungen für diese schnelle Verbreitung moderner Ideen ist in der Besetzung des Stadtbaurat-Amtes zu suchen. Fred Otto war nicht nur selbst ein hervorragender Architekt und Stadtplaner, sondern förderte mit den ihm zur Verfügung stehenden administrativen Mitteln den Umbruch im Bauen und nutzte die Verbindung seines Amtes mit der Baupolizei-Aufsicht als Kontrollinstrument für Privatbauten. 4. Ein gemeinsames Merkmal vieler moderner Bauwerke in Chemnitz ist die Achtung des natürlichen und geplanten Umfeldes und die Anpassung an dieses. Im Unterschied zu radikalen Architekten und Theoretikern dieser Zeit wie etwa Mies van der Rohe oder Le Corbusier wurde keine absolute Negierung früherer Bauten angestrebt. Häufig integrierte man vorhandenen Altbauten sogar in neue Komplexe. Das ist u.a. bei Ottos Sparkasse und dem Stadtbad sichtbar. Auch in der Übernahme von Traufhöhen und Fluchtlinien äußert sich diese bewusste Anpassung. Und sogar beim heiß umstrittenen Thema der Dachform. Schon bei Gersons Emden-Gebäude übernehmen die Seitenflügel das Satteldach der Nachbarbebauung. Gleiches ist bei Ottos Wasserwerksverwaltung zu finden wie auch bei seiner Erweiterung der Markersdorfer Schule. Auf die Korrespondenz des AOK-Gebäudes von Curt am Ende mit der Schloßkirche wurde bereits verwiesen. 5. Die besten Beispiele rationalistischen wie auch expressionistischen Bauens in Chemnitz sind durch das Bestreben gekennzeichnet, bei aller Sachlichkeit Monotonie zu vermeiden. Als wichtiges Mittel dazu dient die Baumassengliederung, die häufig zur Rhythmisierung der Gesamterscheinung beiträgt. Das wird beim Stadtbad besonders deutlich, wo sich eine Vielzahl von Kuben durchdringt. Aber auch bei der Sparkasse mit den abgewinkelten Baukörpern und deren Höhenstaffelung wird es deutlich, wie auch bei der Industrieschule und der Diesterwegschule. Auffällig ist weiterhin die Vielfalt der Fensterformen und -größen bei den genannten Gebäuden. Das Gleiche trifft auch auf Willy Schönefelds Industriebauten für Cammann und Astra zu. 6. Bauten, die sich der sogenannten "weißen Moderne" zuordnen lassen,
wofür die Stuttgarter Weißenhofsiedlung als Exempel steht, sind in
Chemnitz selten. Die Diesterwegschule mag sich hier einordnen lassen,
eventuell auch Feistels Wohnhaus. Ansonsten aber herrscht Vielfalt bei
der Oberflächengestaltung vor. Zunächst dominierten unter dem Einfluss
des Expressionismus noch Klinkerfassaden. In Chemnitz läßt sich diese
Häufung auch durch die Vorbildwirkung des Gerson-Baus sowie durch das
Wirken des Weichselländers Wagner-Poltrock erklären. In den späten
Zwanzigern ist aber eine breite Palette von Materialien anzutreffen. Sie
reicht von Rillenputz (Cammann) über Farbputz (Stadtbad,
Fernmeldezentrale, Astra) bis zu Travertin (Sparkasse) und Porphyr
(AOK), der hier übrigens erstmals zur kompletten Fassadenverkleidung
angewandt wurde. |
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Stand: 2.0 04.01.10 | ||
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