Chemnitz - im Wandel der Zeiten :: v.2.0 :: 01.10.09  
 
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Chemnitzer Stadtteile und Vororte

Sonnenberg

  Quellen:
www.historisches-chemnitz.de mit freundlicher Genehmigung, Frank Harreck-Haase
"Leben auf dem Sonnenberg", Zur Geschichte und Gegenwart eines Chemnitzer Stadtteils - 1997, Jürgen Eichhorn, AG Sonnenberg-Geschichte, Chemnitzer Geschichtsverein

 Entwicklung
Wohnen auf dem Sonnenberg
Gasthof "Zur Goldenen Sonne"

 Entwicklung  
 
Der Sonnenberg um 1860
Der Sonnenberg um 1860

Der Sonnenberg um 1900
Der Sonnenberg um 1900

 

Der Sonnenberg ist ein traditionsreicher Chemnitzer Stadtteil. Er schließt sich südostwärts an den heutigen Hauptbahnhof an und erreicht mit dem Humboldplatz, auch Humboldhöhe genannt, seinen höchsten Punkt bevor er sich bis zum Zeisigwald ausdehnt.

Bis zur Mitte des 19.Jahrhunderts war der heutige Sonnenberg unbebaut und Natur, wovon heute noch der Name "Hainstraße" zeugt. Erst spät wird der Name "Sonnenberg" in den Karten erwähnt. Zuerst auf einen Plan von 1843. Daher kann man den Schluß ziehen, daß der Name in den Jahren davor als offizieller Name eingeführt wurde, wahrscheinlich aber schon etwas länger im Volksmund üblich war.

Über die Herkunft des Namens gibt es zwei Varianten. Zum einen könnte er sich auf die sonnige Lage beziehen. Andererseits ist im Chemnitzer Stadtplan von 1761 an der Gabelung der Straße nach Augustusburg und der Hauptstraße nach Freiberg (der heutigen Dresdner Straße) ein Gasthof "Die goldene Sonne" verzeichnet, der in seiner Kurzform "Sonne" dem Sonnenberg seinen Namen gab.

Die Grenzen des Sonnenberges waren keine Gemarkungsgrenzen. Das Gebiet gehörte ursprünglich zur Gemarkung des Klosterdorf Gablenz. 1402 wurde vom Kloster der westliche Teil des Sonnenberggebietes, etwa bis zur heutigen Zietenstraße, an die Stadt Chemnitz verkauft.
Über das Gebiet heißt es in der Urkunde vom 29.September 1402: "In der Gablencze an sechs ruthen und an fumf lehen agkers, dez breyte sich anhebet eynste dez dorfes an der Frybergischer straßen und wendet an deme Steyne obenwendig Wechßelers erbe und wendet an Grünenhaynen reyne, dy lenge an deme dorffe unde wendet obenwendig dez keysers forste unde nedenwendig an der Holczbach."

Ab Mitte des 16.Jahrhunderts, nach Auflösung der Klöster gehörte Gablenz zum Amt Chemnitz. Jedoch blieb die Teilung des Sonnenberges in zwei Gemarkungen bis zur Eingemeindung der Vorortgemeinde Gablenz in die Stadt Chemnitz am 01.April 1900 bestehen.

Die ersten existierenden Straßen auf dem Sonnenberg waren der "Fürsten Weg nach Augustusburg" die heutige Fürstenstraße und die "Haupt Straße nach Freiberg", im wesentlichen die heutige Dresdner Straße.

Der Sonnenberg 1920
Der Sonnenberg 1920
Man kann die Besiedelung des Sonnenberges in Bebauungswellen untergliedern. Nachdem Mitte des 19.Jahrhunderts die Hainstraße und die Sonnenstraße existierten, begann die planmäßige Besiedelung des Gebietes des städtischen Besitzes bis zur Zietenstraße. Nach 1860 begann die Erweiterung auf die Gablenzer Flur des Sonnenberges.
Bereits 1880 wohnten etwa 20% der Chemnitzer Bevölkerung auf dem Gebiet des Sonnenberges.

Nach 1900 und der Eingemeindung von Gablenz erfolgte ein weiterer Besiedelungsschub, da nun mehr Fläche zur Verfügung stand. Aus dieser Periode der Gründerzeit sind viele schöne Häuser erhalten, die auch teilweise mit Jahreszahlen an der Fassade auf ihr Erbauungsjahr hinweisen.

Einen letzten Schub der Bebauung gab es in den 20er und 30er Jahren des 20.Jahrhunderts, als etwa die Humboldhöhe besiedelt wurde und die noch heute vorhandenen Straßenstrukturen ihre Ausprägung erfuhren.

1983 wurde das Sonnenberggebiet zum innerstädtischen Bebauungsgebiet erklärt, was dazu führte, daß die frühe Gründerzeitsubstanz des südlichen Teils zwischen Zieten- und Hainstraße fast komplett abgerissen und durch Neubauten ersetzt wurde. Den nördlichen Teil hingegen erklärte man zum denkmalgeschützten Wohngebiet. Die dort geplante Sanierung kam aber aus Kostengründen fast vollständig zum Erliegen. "Ruinen schaffen ohne Waffen!" war der beißende Spott dazu.

Erst durch die Wende 1990 kam es im Zuge der Privatisierung zu einer Sanierungswelle, durch die viel alte Bausubstanz gerettet werden konnte.

 Wohnen auf dem Sonnenberg  
 
Einsturz des Hauses Sonnenstraße 34 im Jahr 1866.Vielleicht war dadurch die sehr hohe Bevölkerungsdichte und die Überbelegung des Wohnraumes auf dem Sonnenberg mit erklärbar. Einsturz des Hauses Sonnenstraße 34 im Jahr 1866.Vielleicht war dadurch die sehr hohe Bevölkerungsdichte und die Überbelegung des Wohnraumes auf dem Sonnenberg mit erklärbar. Mit der Entwicklung der Baumwollspinnerei stieg Chemnitz zur Industriestadt auf. Der Sonnenberg als primäre Wohngegend zog abertausende Arbeiter aus dem ärmeren Umland und dem Erzgebirge in die Stadt.

Aus dem Jahre 1892 ist vermerkt, daß damals in dem Hause Peterstraße 26 155 Menschen lebten. Weitere Beispiele sind der Körnerplatz 7 mit 170 Bewohnern in 1898 und die Stiftsstraße 11 mit 144 Bewohnern in 1899. Nur 1,4% der Haushalte auf dem Sonnenberg hatten eine elektrische Beleuchtung, nur 34,2% Gasbeleuchtung bzw. Gasanschluß.

Durch die Armut bedingt, waren viele Familien gezwungen, mittels so genannter "Schlafleute und Kostgänger" eine finanzielle Verbesserung ihrer Situation zu erreichen. Jeder freie Platz in den Zimmern beziehungsweise unter dem Dach wurde genutzt, um preiswerte Übernachtung mit Frühstück für viele Saisonkräfte, unter anderen böhmische Maurer, Erdarbeiter u.a. anzubieten.

"Das ärgste von Wohnungsnot aber was ich erlebte, war bei einem anderen Mann aus meiner Fabrik. Das war tatsächlich nicht mehr menschenwürdig. Der Mann war ein alter langjähriger Arbeiter... knapp über die fünfzig, ein kleiner, biederer Kerl... Er hatte eine kränkliche, halbgelähmte, blutfiüssige Frau... Ihre Kinder waren bereits erwachsen und verheiratet sie hatten nur eine von ihnen herzlich gepflegte Enkelin noch bei sich, dagegen fünf fremde Schlafleute!
Im Alkoven (Bettnische), in einem Bette. für sich, schlief die kränkliche Frau allein, ihr Mann seit drei Jahren ... auf dem Sofa derselben Wohnstube, die vom frühen Morgen bis nach zehn Uhr abends... von sämtlichen schwatzenden, essenden, rauchenden Haushaltungsmitgliedern frequentiert wurde. Denn die beiden Maurer mußten schon früh 1/2 5 Uhr weg und vorher noch ihren eben in dieser Stube gekochten Kaffee getrunken haben, und der Pferdekutscher kam erst abends 1/2 10 von seinem schweren Dienst zurück und wollte dann noch Abendbrot essen ..."

Während die Stuben (zur gesamten Wohnung langte es fast nie) anfangs für die jung vermählten noch ausreichten, machte der nachfolgende Kindersegen (3 bis 8) eine Wohnvergrößerung aus finanziellen Gründen meist unmöglich. Und so schliefen die Eltern in einem und die Geschwister miteinander im anderen Bett. Jede vorhandene Schlafstelle bedeutete eine kleine Einnahmequelle und damit eine Verbesserung des Familienbudgets. Selten war es, daß ein Bett nur von einer Person belegt wurde, denn auch tagsüber wurde es genutzt. Ein eigenes Bett in einem eigenen Zimmer - ein unvorstellbares Glück, wer beides besaß.

Am 1.Januar 1907 nahm die städtische Wohnungsaufsicht auf Grundlage der "Wohnungsordnung der Stadt Chemnitz" ihre Arbeit auf. Ihre Aufgabe war die 66.000 Wohnungen der Stadt nach und nach zu besichtigen. 1907 wurden 291 Häuser fast ausschließlich des Sonnenberges mit 4.116 Wohnungen besucht. damals lebten in Ein- oder Zweiraumwohnungen 3 bis 4 Personen zuzüglich der jeweiligen Schlafgänger, einer Art Untermieter aus dem Umlande, die hier nur schliefen, und den Familien ein kleines Zubrot verschafften.
Bereits im ersten Jahr beanstandeten die Prüfer 2.764 Mängel, darunter den Umstand, daß etwa 45% kein eigenes Trockenklosett besaßen.

Chemnitz stand damals an der Spitze der Kindersterblichkeit in Deutschland. Und innerhalb der Stadt war es das Wohngebiet Sonnenberg, daß diesen traurigen Rekord hielt. In einzelnen Straßen starben zwischen 42% bis 55% der Kinder im ersten Lebensjahr.

Da sich hier auf engeren Raum viele Menschen des "Lumpenproletariats" drängten, der Begriff "Topplappenviertel" für den Sonnenberg soll hier erwähnt sein, kam es unweigerlich zu sozialen und politischen Spannungen. Inflation und Arbeitslosigkeit taten ihr übriges.
Die Gewerkschafts- und Arbeiterbewegung war hier schon immer besonders stark vertreten, was seinen Teil zur Bezeichnung "rotes Chemnitz" beitrug. Bereits 1874 bei den Reichstagswahlen erreichten die Sozialdemokraten zwei Drittel der Stimmen auf dem Sonnenberg.

In den 20er Jahren kam es hier zu Auseinandersetzungen der Anhängerschaft von KPD und NSDAP, die sich zum Teil auch stark kriminalisierte. "Rot" kämpfte gegen "Braun" und umgekehrt.

 Gasthaus "Zur Goldenen Sonne"  
 
Das Gasthaus "Zur Goldenen Sonne" an der Freiberger Straße 12
Das Gasthaus "Zur Goldenen Sonne" an der Freiberger Straße 12
Rekonstruktionszeichnung nach Bauunterlagen
1713 kaufte der Chemnitzer Bürgermeister Daniel Wagner das "Jehnische Vorwerck" um hier ein Gasthaus einzurichten. Das war ein mutiger Schritt, denn die Gebäude lagen weit vor der Stadtmauer, und nur wenige nahmen dieses Risiko auf sich. Allein drei weitere Gasthöfe existierten außerhalb der Mauern. Allerdings war die Lage an der "Haupt Straße nach Freiberg" auch verlockend. "Von Wiesa bis Reichenbrand kein Gasthof, der zum Ausruhen und zum Labsal einläd." argumentierte Wagner in der Gablenzer Vorstadt, um dort für die Notwendigkeit zu plädieren und genügend Stimmen für seine Idee zu erhalten.
Da man keine Konkurrenz befürchtete, erteilte man ihm die Erlaubnis zum Bierausschank und gewährte noch andere Rechte zur Aufnahme von Reisenden und Pferden. Allerdings mußte er geloben, keine Gäste von anderen Gasthöfen abzuwerben und sein Gewerbe einzustellen, sobald die Stadt selbst in der Nähe eine Wirtschaft errichten sollte.

So konnte Wagner bald die "Goldene Sonne aufhängen", daß zum Wahrzeichen seiner Wirtschaft und später zum Wahrzeichen eines ganzen Stadtteils, des Sonnenberges, werden sollte. Der Name "goldene Sonne" wurde wahrscheinlich als Gegenstück zum Gasthof "Goldener Stern" im Westen der Stadt gewählt.

Da das Geschäft wahrscheinlich zu gut lief, kam es zu Murren und Ärger der restlichen Chemnitzer Gastwirte. Nach dem Tod von Daniel Wagner übernahm sein Stiefsohn, der Chirurg Christian Plattner die Wirtschaft. Die Chemnitzer Wirte drängten ihn, sofort sein Geschäft einzustellen, da das Recht nur seinen Steifvater übertragen worden war und niemand sonst.
Plattner schaltete aber die kritischen Wirte gekonnt aus, indem er nur mit dem Chemnitzer Rat verhandelte und dort die weiter bestehende Notwendigkeit einer Wirtschaft an dieser Stelle argumentieren konnte.
Der Streit zwischen dem "Sonnenwirt", dem Chemnitzer Rat und den Wirten ging bis zum Kurfürsten, brachte aber immer noch keine Entscheidung. Nach dem Tode Plattners 1754 ging der Streit in eine neue Runde, da die Chemnitzer Wirte gegen Plattners Witwe und seine zwei Töchter klagten. Erneut wurde der Kurfürst angerufen, der dieses Mal verfügte, den Gasthof zu schließen.
Warum auch immer, es fehlte an der nötigen Konsequenz und so wurde der Gasthof weiter betrieben.

Scheinbar war die Bekanntheit der "Goldenen Sonne" sehr groß, denn 1761 tauchte sie im Stadtplan von Trenckmann auf.

Der in wirtschaftlicher Hinsicht perfekte Ort des Gasthauses zeigte aber auch seine Nachteile, denn alle Besatzer, Flüchtlinge und Plünderer kamen hier vorbei.  Im Verlauf des Siebenjährigen Krieges lagerten zum Beispiel am 2.Oktober 1758 kaiserliche Truppen mit circa 1.000 Mann an der "Goldenen Sonne". 1807 waren es preußische Gefangene aus schlesischen Festungen und 1809 österreichische Soldaten. In den Zeiten der Napoleonischen Kriege wurde der Gasthof mehrfach besetzt und als Militärquartier benutzt. Am 4.April 1813 brannte das Gebäude erstmals ab.

Nach dem Neuaufbau sehr groß und ganz steinern"  begann eine neue Ära der "Goldenen Sonne". 1828 wurde das Gasthaus als Theaterspielstätte hergerichtet, nachdem mit dem Verkauf des "Hotel de Saxe" am Roßmarkt 1828 dem Chemnitzer Theater die Bühne abhanden gekommen war. "Sonnentempel" hieß nun der hintere Teil des Hauses in dem die dramatische Kunst kämpfte, im Volksmund nur "Vorstadt-Stall" genannt. Aber schon nach wenigen Jahren empfand man den Ort als eine "Unwürdigkeit für Schauspieler, Zuschauer und die Stadt" Das Stadttheater auf dem zugeschütteten Graben wurde errichtet und am 17.Oktober 1837 der "Sonnentempel" geschlossen. 1866 brannte der ehemalige "Sonnentempel", das Hinterhaus der "Goldenen Sonne" ab.

Als Gasthaus lebte die Wirtschaft aber weiter und florierte. 1871 baute man einen zusätzlichen Pferdestall und 1875 noch eine große Viehhalle. Damals gehörte das Etablissement dem Chemnitzer Ziegeleibesitzer Friedrich Anton Wechsler, der auch als Besitzer der "Kosakenschänke" auf dem Sonnenberg galt. In den 80er Jahren übernahm Max Teichmann das Geschäft, der seine Gäste mit Gesang beglückte. 1888 kam die erste Kegelbahn als Anbau dazu, 1895 eine zweite.
In "Woerl's Stadtführer" von 1881 wurde die Wirtschaft dann als Hotel geführt.

In den 20er Jahren dieses Jahrhunderts wurden im Zuge der Wohnungsnot im Gasthof 21 Wohnungen eingebaut. Nur der Ausschankraum und die Kutscherstube blieben als gastwirtschaftliche Nutzung übrig. 1922 wurde der hintere Komplex abgerissen und dort Garagen erbaut.
1928/1929 wurden die Seitengebäude weggerissen und auf dem hinteren Teil des Grundstücks eine Auto-Montagehalle errichtet. Die "Auto-Reparatur und Garagengesellschaft m.b.H." fungierte später auch als Eigentümer.

Ab 1934 wurde die "Goldene Sonne" nicht mehr in den Adreßbüchern der Stadt erwähnt. Noch bis zur Vernichtung des Gebäudes im März 1945 zeugte ein Hausstein über dem Eingang mit dem Wahrzeichen der Sonne, daß sich hier der traditionsreiche Gasthof befand. Doch nach den Bombenangriffen endet die Geschichte dieses Anwesens auf dem Sonnenberg. Später entstand auf dem Anwesen eine Tankstelle.

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 Stand: 2.0     22.02.10 
 © 2003-2010 Hellwig